Bis Mitte des 20. Jhs. war es in den meisten Kirchen des Alpenraums üblich, in der Karwoche ein Heiliges Grab aufzustellen, das das Sterben und den Tod Jesu unmittelbar erfahrbar machen sollte. Kaum ein Grab glich dem anderen; es gab bescheidene Darstellungen, aber auch raumgreifende und prächtige, je nach Geschmack und Geldbeutel der Gemeinde. Die Tradition ging zurück bis in das Mittelalter und hatte ihre Blütezeit im Barock, die Zeit, in der Prachtentfaltung als Mittel der Gegenreformation eingesetzt wurde. Viele Gräber entstanden erst im 19. Jh., wenige noch in der ersten Hälfte des 20. Jhs.
Am Gründonnerstag und Karfreitag wurden die geweihten Hostien im Inneren des Heiligen Grabes aufbewahrt, am Karfreitag legte man der Corpus Christi in die Grabkammer. In vielen Kirchen kamen die Gläubigen eigens zur Anbetung. In der Osternacht wurde der Leichnam Christi verborgen und der Auferstandene erschien, wobei sogar extra installierte Aufzüge zum Einsatz kamen. Bei der Gestaltung dieses aufregenden Augenblicks waren der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Man arbeitete mit Geräuschen und bengalischem Feuer, so dass die Inszenierung nicht selten zum Volksvergnügen verkam. Das fand nicht bei allen Anklang. Mitte der 1950er-Jahre änderte die Kirche die Liturgie. Die Hostien durften von jetzt an nicht mehr in den Heiligen Gräbern aufbewahrt werden, die damit ihren Sinn verloren. Sie wurden nicht mehr aufgebaut und gerieten im Lauf der Zeit mehr oder minder in Vergessenheit.
In vielen Gemeinden entsorgte man die sperrigen Aufbauten, mancherorts aber brachten es die Mesner und Kirchenpfleger nicht übers Herz, die Heiligen Gräber zu vernichten. Sie deponierten sie auf Kirchen- oder Pfarrhausdachböden, wo sie verstaubten, aber immerhin erhalten blieben.
Text: Christa Pfanner, Ortsheimatpflegerin von Scheidegg-Scheffau.